«Es gibt klare Identifikationen und du musst dich genau daran halten»: Also es gibt grundsätzlich Dom und Sub, oder Switch. Und dann Master und Slave, und das ist anders weil soundso. Und dann Mommy und Boy. Und dann Primal und Prey. Und dann Hinz und Kunz. Und dann weissichnichtwasalles. All diese Töpfchen, diese Labels, sind historisch gewachsen. Sie sind super praktisch, um mit anderen Kinksters zu kommunizieren, haben in sehr spezifischen Kontexten auch ganz scharfe Abgrenzungen und Bedingungen, und sind aber für deine Lust und dein Spiel nur so relevant, wie du es willst und sie dich empowern. Wenn es ein schönes, lustvolles Gefühl auslöst, dich in einem Begriff sehr wiederzufinden – toll! Wenn damit aber dann Sätze aufkommen wie «ja also ein richtiger Sub ist ja soundso definiert», dann darf das herzhaft hinterfragt und ausgelacht werden. Es gibt weder die BDSM-Polizei noch das BDSM-Gesetzbuch. Was es gibt, ist deine Lust und die darf auch kommuniziert werden mit «Mich turnt das mega an, wenn du mich Herrin nennst» oder «Admiralin» oder «Schwester» oder «Seegurke». Entsprechend auch im Umkehrschluss davon auszugehen, dass jemand soundso ist, wenn er sich im perversen Alltagsgespräch als «Master» bezeichnet, haut nicht so hin. Klar hat dieser Mensch vermutlich Freude daran, Top zu sein, aber er hat ziemlich sicher keinen Masterabschluss von der Schweinereienuniversität und ist deswegen in diesen und jenen Spielformen phänomenal gut. Die Internettests, die dir eine Liste generieren zu wieviel Prozent du welches Label bist, können hilfreich sein zu deiner Lust überhaupt den verbreiteten Namen zu finden, aber die geben dich weder adäquat wieder, noch sollen dir die Bereiche, wo du nicht so hoch abgeschnitten hast, verschlossen bleiben.
Was eigentlich dahinter steckt: Diese Labels helfen in der Kommunikation und können sehr wirkungsvoll sein im finden deiner Kink-Identität. Sie bringen aber weder einen Pflichtenkatalog mit sich, noch sind sie in Stein gemeisselt. Entdecke die «Labels», die dir zusagen, und auch wenn sie nur halb zusagen, bist du trotzdem willkommen dort.
«Achtung! Nein! Vorsicht! Das darfst du nicht!»: Sobald man über BDSM mehr erfährt, hört man auch bei nahezu allen Praktiken von Sicherheitshinweisen. Und das ist auch gut so. Es macht Spass und Sinn, zu wissen was man tut. Skeptisches Denken, Empathie und Kommunikation reichen da schon sehr weit. Spannend wird es beim Erlebnis von «oh, das hab ich nicht gewusst». Was wär das schon für eine Freude, wenn was schief läuft und man hat keine Ahnung was tun? Das soll kein Hemmnis fürs Spiel sein und schon gar kein Verbot, sondern vielmehr im Gegenteil eine Lust: Wir können hemmungslos dieses Spiel machen, eben weil wir ungefähr wissen, was im Worst-Case zu tun wär, und weil wir wissen was Spass macht und welche Sachen eine nicht so prächtige Idee sein könnten.
Was eigentlich dahinter steckt: Diese Sicherheitshinweise wollen eine Einladung sein, mehr zu entdecken, und keine verschlossene Türe. Weil unsere Spielarten auch Risiken mit sich bringen, tut das gut, sich darüber zu informieren.
«Wer super erfahren ist, ist super cool und super begehrt!»: Alle fangen irgendwo mal an. Es ist natürlich eine schöne Sache, den Menschen zuzuhören, von denen man etwas lernen kann, aber das sind meistens nicht die, die dir in den ersten paar Sätzen ganz dringend erzählen wollen, was sie schon alles gemacht haben. Besonders wenn dir jemand in den Onlinewelten ein Gefühl der vermeintlichen Unterlegenheit aufdrücken will durch grosse Selbstlobhudelei, steckt da kaum mehr dahinter als Unsicherheit. Du musst nicht erfahren sein, um BDSM zu machen. Du darfst kommunizieren, worauf du Lust hast, was du entdecken und erleben willst. Und wenn es etwas gibt, was dich interessiert und du nicht so recht weisst «wie», dann findest du sicher den passenden Workshop auf der IG Seite gelistet oder schreib uns an, und wir helfen dir jemanden zu finden, der/die es dir zeigen kann.
Was eigentlich dahinter steckt: Wenn man mit jemandem spielen will, ist es gut voneinander zu erfragen, wo ungefähr die Erfahrungen liegen, um aufeinander eingehen zu können, um im Sinne von RACK (Risk Aware Consensual Kink) zu spielen, um gemeinsam auch das zu tun, worauf beide Lust haben. Leute, die sich dabei dann schaurig aufplustern, werdet ihr leicht durchschauen. Keinesfalls müsst ihr irgendjemandem etwas vormachen, um «begehrt» zu sein.
«Du darfst nur dann BDSM machen, wenn du in Lack und Leder gehüllt bist!»: Viele von uns stehen da sehr drauf, mit der Geschichte des Kink hat es erst recht viel zu tun und aus der Popkultur ist das nicht mehr wegzudenken. Aber falls du weder mit Leder noch mit Latex was anfangen kannst, heisst das nicht, dass du nicht «dazu gehörst». Für die einen ist es was, für die anderen nicht. Wenn bei einer Einladung zu einer Playparty steht, dass Fetischkleidung erwünscht ist, heisst das nicht, dass das auf Latex und Leder reduziert ist. Die Idee dahinter ist, dass es wunderschön sein kann, sich in einem solchen Setting extra herausgeputzt herumzubewegen. Aber alle Veranstalter*innen wissen, dass das auch eine Geld- und Lustfrage ist und wollen dich vielmehr dazu einladen, dich so zu zeigen, wie du dich sexy fühlst, als dass das ein Gatekeeper-Gedanke ist im Sinne von «wenn du das nicht magst, hau ab.» Falls da Unsicherheiten sind, darfst du die Veranstalter*innen auch kontaktieren, und nachfragen, ob dein Nicht-Lack-oder-Leder-Outfit okay ist.
Was eigentlich dahinter steckt: Leder und Latex sind ein wichtiger Teil unserer Subkultur, aber keineswegs eine Bedingung dafür darin stattfinden zu dürfen.
Kurzum: BDSM ist wie ein Süssigkeitenwarenladen und du darfst dir alles nehmen, das dir gefällt. Die einzige Norm bei uns ist, dass wir im Sinne von RACK miteinander spielen und Respekt vor der Privatsphäre aller Beteiligten haben.