En guete Rutsch … mit Gleitmittel

einem ähnlichen Problem wie wenn man im Starbucks einfach “irgend es Kafi” will – die Auswahl ist riesig. Darum hier mal eine Auslegeordnung zu Gleitmittel, oder Lube wie man es aus dem Englischen eingebürgert nennt, und zwar aus einer realistischen BDSM Perspektive.

(Diesen Blog schreibe ich als interessierter «Praktiker». Ich habe keinerlei medizinische oder chemische Ausbildung.)

Da geht man in den Sexshop und will einfach einen Lube kaufen und steckt in einem ähnlichen Problem wie wenn man im Starbucks einfach “irgend es Kafi” will – die Auswahl ist riesig. Darum hier mal eine Auslegeordnung zu Gleitmittel, oder Lube wie man es aus dem Englischen eingebürgert nennt, und zwar aus einer realistischen BDSM Perspektive.

Grundsätzlich muss gesagt werden, dass Gleitmittel eine grossartige Sache sind. Und liebe Männer (oder auch Frauen): Die Vorstellung, dass die Erregtheit einer Frau sich immer am Feuchtigkeitsgrad des «Höschens» zeigt, ist nicht nur Blödsinn, sondern auch gefährlich. Damit setzt man die Idee frei, dass es ein «Scheitern» ist, wenn Lube für Vaginalverkehr benutzt wird. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Lube macht alles fröhlicher, nicht nur Fisten. Und wie sich die Erregtheit eures Gegenübers zeigt, kann niemand besser artikulieren als euer Gegenüber selbst.

Es gibt drei Arten von Lubes. Öl, Silikon und Wasser.

Mit wasserbasierten Lubes macht man grundsätzlich nichts falsch, ausser man versucht es unter der Dusche einzusetzen, denn Wasser setzt es ausser Kraft. Es ist verträglich mit allen Toy-Materialien, Kondomen, Handschuhen und Kleidungen, leitet Elektrizität und ist überall erhältlich. Flecken auf Leder, Bettwäsche, Latex sind einfach weg gemacht. Mit wasserbasierten Lubes läuft man aber schnell in die Situation, dass es nicht ausreicht, zuwenig lange oder zu wenig flutschig gleitet. Also nur um das klarzustellen, mit jedem Gleitmittel ist es notwendig, dass man mehrfach aufträgt – Gleitmittel werden absorbiert und kaum eines kann über eine ganze Session hinweg genügend Gleitfähigkeit bieten mit nur einmaligem auftragen. Es gibt auch wasserbasierte Extra-Anallubes, die dafür designt sind länger und flutschiger zu wirken, aber das reicht für Fisting oder heftigeres Spiel eben oft dann doch nicht aus. Manche schwören auch auf Pulvermischungen, die man selbst anrührt, die das leisten können.

Hier kommen die silikonbasierten Lubes ins Spiel. Diese sind merklich schmieriger, und darum super für beispielsweise Analsex geeignet – eben weil sie mehr schmieren und etwas länger anhalten. Mit Kondomen wie auch Handschuhen und Kleidungen sind die problemlos verträglich, härter wegzuputzen (wenn Seife und Wasser immer noch schmierige Rückstände hinterlassen hilft Alkohol), aber kein Weltuntergang. Jetzt aber wird es etwas komplizierter: Es gibt den hartnäckigen Mythos, dass Silikongleitmittel nicht mit Silikon-Toys verträglich sind. Das stimmt nur so halb. Silikon ist als Material in der Sexspielzeugwelt nicht reguliert, nur bspw. in der Medizin- oder Lebensmittelindustrie. Das heisst, Objekte minderer Qualität oder solche die gar nicht aus Silikon sind, aber als solche ausgegeben werden, können beim Kontakt mit Silikongleitmittel chemisch reagieren und sich verformen. Bei Spielzeugen, die jetzt nicht für fünf Franken aufm Herren-WC erhältlich sind, ist das aber oft kein Thema. Anders sieht das aus bei «weichen» Toys wie TPE, PVC, Cyperskin etc. Das verträgt sich nicht mit Silikonlube. Was für eine Art Plastikmaterial das Toy ist, sollte auf der Box angegeben sein. Nicht poröse Materialien wie Stahl oder Glas wiederum sind kein Problem. Bei Elektroplay ist es leider eine Spassbremse.

Pflanzenöl- oder Mineralölbasierte Gleitmittel schmieren mit Abstand am besten. Öl aber macht Latex kaputt, was Experimentierfreudige mit einem Gummi einfach testen können. Das heisst die normalen Kondome, Latex-Kleidung, Latex-Handschuhe sind ein No-Go mit Öl. Da müssen Kondome oder Handschuhe aus anderem Material her wie PU (aber nicht Polyisopren, ein synthetischer Latex ohne natürlichen Kautschuk) oder Nitril. Fettflecken auf Kleidung kennen wir alle, entsprechend anstrengend kann’s auf dem Bettzeug sein. Für Elektroplay ist es die falsche Wahl. Öl kann auch über längere Zeit Plastikmaterialien bei Toys tatsächlich schädigen, da gibt’s gruslige Videos online – die sind aber in eher unrealistischen Experiment-Szenarien, wo ein Spielzeug lange Zeit in Öl gelagert wird, gefilmt. Wenn doch mit Plastiktoys und Öl gespielt wurde, ist das Abwaschen danach mit Seife und Wasser schonmal ein guter Schritt. Silikontoys hingegen, auch wenn man das immer wieder überall liest, schädigt es nicht – oder nicht in einem realistischen Szenario. Diese Falschannahme kommt aus Zeiten, als Silikontoys nicht aus Silikon oder nicht aus reinem Silikon bestanden. Ein weiterer Mythos ist, dass es ungesund sei für Vulvas und dort Bakterien «einschliesse». Das basiert auf einer kleinen amerikanischen Studie mit knapp 200 Frauen in Bezug auf bakterieller Vaginose BV1. Und es drängt sich mir sehr der Verdacht auf, dass das mit unsauberen Fingern im Vaseline-Topf zutun hat und nicht mit Schleimhäuten – aber hiermit sei darauf hingewiesen. Obendrauf kommt noch: Wasserbasierte und silikonbasierte Gleitmittel sind Produkte mit entsprechender Industrie dahinter. Dann von ganz normalen Kokosnuss Öl oder Melkfett zu sprechen, mag in der Welt der bezahlten Sex-Education-Blogs nicht so attraktiv sein, geschweige denn auf den Homepages der Lube-Hersteller. Nichtsdestotrotz: Dieses Pro-Öl-Statement stammt von mir und vielen anderen Praktizierenden, und widerspricht der gängigen ärztlichen Meinung und der Meinung von vielen anderen Expert*innen. Deswegen geniesst das obenstehende unbedingt mit Vorsicht!

Wenn ihr mit Lube egal welcher Art spielt, benutzt ihr den ja mehrfach während dem Spiel. Schmiert die Flüssigkeit dabei nicht mit den Fingern vom Behälter ab. Die meisten sind ja so designt, dass man es in die Hände spritzen kann. Was dann noch an der Tube oder Flasche übrig bleibt als Tropfen kann man getrost nach dem Spiel mit einem Taschentuch wegmachen, statt mit den bereits sehr beschäftigten Fingern oder Handschuhen. Eine tolle Alternative ist es auch den Flutsch einfach in einen sauberen Seifenspender umzufüllen.

Fun Fact: Es gibt ne deutsche Gleitmittel Marke die Flutschi heisst und ich finde das sauglatt.

Und was ist jetzt mit den Aroma-Lubes, den Lubes die aufheizen, verzögern, prickeln, Spermien killen etc.? Wenn man Lust auf die hat, muss man sich bewusst sein, dass damit auch Chemikalien in den Körper kommen könnten, die nicht so famos sind. Für viele ist Oralsex mit Aroma Lube oder ein Gleitmittel dass nicht nur flutscht, sondern auch prickelt, trotzdem toll.

Während dem Spiel Lube zu benutzen, kann in jeder Art von Dynamik eine grosse Freude sein. Anstatt das wie einen komplizierten Zusatzakt zu behandeln, könnt ihr den Moment, wo der Lube rausgenommen wird, zelebrieren, geniessen, es Sensation-Play mässig ausspielen wenn der Sub zum ersten Mal eure benetzten Finger spürt, ihr könnt mit den Geräuschen drohen, es mit Worten in euer Spielsetting lustvoll einbinden, es grossflächig über eine Massage einleiten, es auf die Öffnung draufklatschen… ach die Möglichkeiten sind unbegrenzt!

Drum: En guete Rutsch!

(Für die besonders Interessierten gibt’s hier noch einen letzten komplizierten Schlenker: Beim wasserbasierten Lube gibt es zwei Faktoren, die für die Gesundheit der Vulva und die Übertragung von Geschlechtskrankheiten einen Einfluss haben können. Nämlich der pH Wert und die Osmolalität des Gleitmittels. Der pH Wert sollte gemäss WHO für Vaginalsex zwischen 3.8-4.5 liegen und Analsex 5.5-7. Diese Werte auf den Herstellerseiten zu finden, pff, viel Erfolg. Osmolalität bezeichnet das Verhältnis von aufgelösten Teilchen zum Wasser in dem sie drin sind. Dieser Wert sollte bei Lube idealerweise nicht über 380 gehen, aber maximal 1200 mOsm/kg sein, wieder gemäss WHO. Warum? Wenn dieser Wert zu hoch geht, trocknet es die Haut aus, macht sie rissig, und dadurch empfänglicher für Geschlechtskrankheiten. Unter diesem Link findet ihr mehr dazu: https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/76580/WHO_RHR_12.33_eng.pdf;jsessionid=A125D1E1758A8AFB62FA409A2B65309E?sequence=1

1 https://journals.lww.com/greenjournal/Abstract/2013/04000/Intravaginal_Practices_and_Risk_of_Bacterial.12.aspx

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner