«Mayday» ist als Safewort international an den meisten Playpartys verbreitet und als solches auch oft ausgewiesen in den Einladungen. Der Gedanke dahinter ist einfach: Wenn an einer Party Leute miteinander spielen, vielleicht auch nicht in einem Darkroom sondern in einem für alle sichtbaren und hörbaren Raum, kennt ja niemand deren Safeword, falls es ausgesprochen werden würde. Oder sie haben auch gar keines extra abgemacht. Wenn dann ein Wort verwendet wird, das alle kennen, können andere je nachdem auch helfen in einer Notsituation, oder wissen zumindest, dass das Spiel abgebrochen wird und die Spielenden zur Aftercare übergehen.
Ebenfalls sehr verbreitet ist das Ampelsystem. Das Wort «Rot» ist dabei das Safewort, dass das Spiel abbricht. Mit «Gelb» können die Spielenden einander einfach und effizient kommunizieren, dass sie sich eine andere Richtung im Spiel wünschen. Wenn beispielsweise eine Impactsession stattfindet und der Sub «Gelb» sagt, wird es vielleicht gerade zu intensiv oder zu repetitiv oder die Fixierung drückt etc., aber der Sub will das Spiel nicht beenden deswegen. «Grün» meint dabei, dass alles okay ist. Vielleicht will der aktive Part die Situation explizit abchecken, weil der passive Part schwer zu lesen ist und fragt «Alles grün?» oder «Farbe?» oder «Ampel?».
Da wir ja oft im Spiel schwer reden können, weil da ein Knebel, ein Seil, ein Gag oder ein Schwanz die Sprache verhindert, oder Wörter formulieren schwer fällt weil man mental gerade in anderen Sphären unterwegs ist, ist das spielen mit Safesigns oft ganz praktisch. Das wäre dann entsprechend ein non-verbales Zeichen, dass als Safeword gilt. Verbreitet ist zum Beispiel dem passiven Part etwas in die Hand zu geben, das fallen gelassen werden soll, wenn es zuviel ist. Oder, und das erfordert etwas mehr zweiseitige Kommunikation, dass der aktive Teil dem passiven die Hand drückt, und wenn zweimal oder dreimal zurückgedrückt wird, ist alles in Ordnung – wenn nicht oder nur einmal, stimmt gerade etwas nicht. Eine weitere Variante ist, dass der oder die Sub dreifach stöhnt, klatscht, grunzt, quietscht, kneift, stampft oder ähnliches. Die Rhythmik von dreimal nacheinander ist zu absichtlich, als dass es in der allgemeinen Geräuschkulisse nicht auffallen würde.
Und dann gibt es die persönlichen Safewörter. Das ist gerade in sich entwickelnden Spielbeziehungen ein schöner Akt, gemeinsam abzumachen, was das gemeinsame Safeword sein soll. Genauso kann man für sich selbst etwas überlegen, das man in einem Spielsetting dem Gegenüber kommuniziert. Auch wenn wir in der deutschen Sprache die grossartige Möglichkeit haben, eine nahezu endlose Kette an Nomen aneinanderzureihen, ist es vielleicht von Vorteil, wenn euer Safewort etwas kürzer als «Hausverwaltungsmitgliederversammlungseinladung» ist, aber hey, was auch immer ihr gut findet.
Falls nichts anderes miteinander ausgemacht wurde, also falls nicht explizit über Safewörter vor dem spielen geredet wird, ist «Mayday», «Rot» oder auch einfach «Aufhören» und «Stop» immer gültig.
Jetzt gehen wir die Sache noch etwas tiefer an:
Warum soll «Nein» oder «Stop» nicht einfach immer genug sein? Wir verhandeln und sprechen vor dem Spiel über Grenzen, damit wir uns während dem Spiel der Illusion der absoluten Macht und bedingungslosen Unterwerfung hingeben können. Deswegen ist es ein kluger Mechanismus, sich mit einem «spielfremden» Wort aus dem Spiel zu lösen. Hinzu kommt, dass es schaurig schön und befreiend sein kann, in einem Spiel zu betteln und zu flehen und «Nein» und «Hör auf» sagen zu können, ohne dass das Spiel dadurch abgebrochen wird. Sowas ist natürlich im Voraus abgemacht und die Spielenden kennen ihre Safewörter. Ein weiterer guter Grund kann sein, dass der aktive Teil seinem Gegenüber Auflagen gibt, wie der passive Part überhaupt kommunizieren darf. Wenn dann ein Moment der Überforderung passiert, und es nicht möglich ist die korrekte Formulierung für einen Richtungswechsel sich zusammenzustückeln, kann ein Safeword ein sicherer und effizienter Ausweg sein.
Es gibt auch Hemmungen, ein Safeword zu benutzen. Wenn zwei oder mehr miteinander spielen, wollen natürlich alle, dass auch die anderen dabei Spass haben. Ein Safeword auszusprechen und damit das Spiel zu beenden, kann bei manchen eine gewisse Hemmung aufbauen das zu tun aus Angst, das Gegenüber zu enttäuschen oder weil man sich ein falsches schlechtes Gewissen macht. Ich würde dazu die gegenteilige Perspektive einnehmen: Wenn sich jemand beim spielen nicht mehr OK fühlt, und das den anderen vorenthält, ist das viel belastender, als das Spiel abzubrechen und vielleicht später nochmals zu starten oder ein anderes Mal. Egal was für eine Praktik du machst, du darfst alles zu jedem Zeitpunkt abbrechen.
Wenn ein Safeword ausgesprochen wird, bedeutet das erstmal für den aktiven Part aufzuhören mit was auch immer man gerade dran ist. Falls der Bottom irgendwie festgemacht ist, die Bondage lösen und in aller Ruhe fragen, was nicht gut ist. Da wir uns beim Spielen teilweise mental in anderen Sphären bewegen, kann es dem Bottom unter Umständen schwer fallen zu artikulieren. Wenn der Bottom nicht gerade kommunizieren kann, was nicht mehr gut ist, darf man dem auch Raum geben als Top und muss nicht nachbohren. Erstmal dafür sorgen, dass die Toys aus dem Weg geräumt werden und der Bottom warm und zu trinken hat. Wenn körperlich nichts akut versorgt werden muss, kann später oder auch erst ein paar Tage drauf in Ruhe darüber geredet werden. Oder wenn es weder emotional noch körperlich eine grosse Sache war, habt ihr vielleicht auch am selben Abend wieder Lust nochmals anzufangen. Das alle Beteiligten so wieder auf den Boden zurückkommen, wie sie es brauchen, ist erstmal wichtiger, als die Session akribisch zu sezieren.
Jetzt habe ich ein Beispiel beschrieben, wie der passive Part safeworded. Mit ordentlich Nachdruck und Fanfaren und Leuchtstift möchte ich betonen, dass genauso der aktive Part sich in einer Situation wiederfinden kann, wo sie oder er safeworden möchte. Auch für Tops können Sessions an einen Punkt kommen, wo gestoppt werden muss. Da kann die wundervolle Konvention ein Safewort zu sagen oft einfacher sein, als “ähm, du hör mal, sorry, ich glaub ich kann nicht mehr.”, wenn man körperlich, emotional oder psychisch merkt, dass sich das spielen jetzt grade nicht mehr gut anfühlt.
Wenn ich schon bei Fanfaren und Leuchtstift und Nachdruck bin, gleich noch was: Es ist gängige und wichtige Praktik, ein Safeword nie zu hinterfragen. Das wäre ein massiver Vertrauensbruch. Ein Safeword muss nie begründet werden – egal ob es von der aktiven oder passiven Seite ausgesprochen wird, egal zu welchem Zeitpunkt, egal aus welchem Grund.
«Kumquat Beyoncé Bundesrat Kaulquappe Pandabär» … wenn das jemand von sich gibt beim spielen, ist es übrigens recht wahrscheinlich, dass das Safeword einfach vergessen ging.