Im Strafgesetzbuch Artikel 197 steht unter Absatz 4:
«4 Wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Absatz 1, die sexuelle Handlungen mit Tieren oder mit Gewalttätigkeiten unter Erwachsenen oder nicht tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt haben, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht, erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonst wie beschafft oder besitzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Haben die Gegenstände oder Vorführungen tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.»1
Da steht also, dass pornographische Darstellungen von sexuellen Handlungen mit Gewalttätigkeiten unter Erwachsenen strafbar sind. Der Begriff «Gewalttätigkeiten» wird für uns Kinksters schnell zum Verhängnis, wenn der Gesetzestext sehr wörtlich ausgelegt werden würde. Unzählige unserer Praktiken können als Gewalttätigkeit gelesen werden. Die Frage nach Konsens wird schliesslich nicht gestellt in diesem Absatz. Die IG-BDSM hat dieser seltsame Absatz im Strafgesetz schon immer geärgert, hier findet ihr einen alten Blog Eintrag zum Thema BDSM und Recht.2
Jetzt kam aber Bewegung in die Sache. 2018 wurde das Geschäft 18.043/27184 eingebracht bei den Räten, das eine Revision des sogenannten Sexualstrafrechts beinhaltet. In der Session der Räte wurde das 2023 ausführlich diskutiert. In der Presse hat man in dem Zusammenhang viel über Revenge Porn und «Ja heisst Ja» bzw. «Nein heisst Nein» gelesen. Etwas unter dem Radar flog die Thematik des oben zitierten Absatzes, der uns direkt betrifft (sofern wir denn mit BDSM Pornos schauen, haben, teilen etc was am Hut habt).
Im Entwurf 3 vom 18. Februar 2022 hat die Kommission folgendes vorgeschlagen (Seite 52/53):
«Anpassungen des PornografietatbestandsDie Kommission beantragt eine Anpassung im Bereich der sogenannten harten Pornografie. Demnach soll es sich nicht mehr um verbotene harte Pornografie handeln, wenn die pornografischen Gegenstände oder Vorführungen sexuelle Handlungen mit Gewalttätigkeiten unter Erwachsenen zum Inhalt haben (Artikel 197 Abs. 4 und 5 E-StGB). «3
Dem hat der Bundesrat am 13. April 2022 zugestimmt und im Juni 2023 beide Räte in ihren Schlussabstimmungen ebenfalls.4 Das heisst, das Gesetz soll geändert werden, wodurch BDSM Pornos nicht mehr technisch illegal wären.
Wie geht es jetzt weiter? Über Bundesgesetze wird im Normalfall nicht abgestimmt, sondern nur via fakultativen Referendum. Wenn sich in 100 Tagen 50’000 Unterschriften sammeln lassen, dann würde die Bevölkerung darüber abstimmen. Es ist aber nicht obligatorisch. Diese 100 Tage gelten ab Publikation im Bundesblatt.5
Gemäss Einschätzung von zwei Menschen, die im Gegensatz zu mir beruflich was mit Recht zu tun haben, ist die Verurteilung für BDSM Pornografie auch nach jetzt gültigem Recht sehr unwahrscheinlich. Dennoch könnte das Gesetz so ausgelegt werden. Durch die Annahme in den Räten wird sich das jetzt ändern, solange kein Referendum zu einer Ablehnung an der Urne führen würde.
Viele von uns kennen die Ablehnung und Ächtung die mit unserer Sexualität einherkommen kann. Es ist für viele Menschen wichtig Pornographie zu geniessen von dem, worauf man steht. Das geht vielen von uns Kinksters nicht anders. Dass das dann genaugenommen eine Straftat ist und damit Teile der eigenen Sexualität kriminalisiert, ist im Kontext von Erwachsenen, die mit Konsens handeln, sehr schmerzhaft. Deswegen begrüssen wir als IG BDSM diese Änderungen und hoffen, dass es ein wichtiger Schritt ist, unsere Sexualität im gesellschaftspolitischen Kontext zu normalisieren.
Ihr möchtet mehr über Politik und BDSM erfahren? Dann besucht doch mal die Webseite von Bunt Lieben, ein Verein welcher schon vorgängig auf die kommende Gesetzesänderung aufmerksam gemacht hat. Und für mehr Kurioses aus der Schnittstelle von BDSM und Gesetzgebung hier ein Link zur aktuellen Problematik wie angeblich Toys unter das Folterinstrumentegesetz fallen könnte – und hier der Link zur Seite des Bundesrates dazu.
1 https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/54/757_781_799/de
2 https://www.ig-bdsm.ch/vortrag-bdsm-und-recht/
3 https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/fga/2022/687/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-fga-2022-687-de-pdf-a.pdf
4 https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20180043
5 https://www.parlament.ch/de/%C3%BCber-das-parlament/parlamentsportraet/aufgaben-der-bundesversammlung/rechtsetzung/gesetzgebung